Das Elend der osteopathischen Berufspolitik

Wer das ganze Elend der osteopathischen Berufspolitik verstehen will, wer begreifen will, warum der seit 20 Jahren geforderte Beruf nicht einen Schritt vorangekommen ist und warum sich daran auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern wird, dem sei die aufmerksame Lektüre des Schriftwechsels zwischen der Konsensgruppe und dem BVO empfohlen.
 
Der BVO hat dankenswerterweise den Schriftwechsel auf seiner Website am 21. März veröffentlicht und gestattet damit allen Osteopathen einen Einblick in die Abgründe der osteopathischen Berufspolitik auf nichtärztlicher Seite. Es ist gut, dass wir diesen Einblick erhalten, dass wir hinter die Kulissen blicken können und das Hauen und Stechen selbst dort erleben, wo wir gehofft hatten, hier würden alle beteiligten Akteure vereint am gleichen Strang ziehen. Es ist ein erhellender Einblick, auch wenn der Ausblick düster ist.
 
Was ist geschehen? Die Konsensgruppe unter Führung des VOD hat den großen Konkurrenten BVO aus der Konsensgruppe geworfen. Dies wurde dem BVO mit einem Schreiben vom 9. März schriftlich mitgeteilt. Keine Woche später hat dann der DVOM – auch Mitglied der Konsensgruppe – den Rauswurf auf seiner Website öffentlich gemacht. Darauf hat der BVO reagiert, der Konsensgruppe schriftlich geantwortet und beide Schreiben auf seiner Website ebenfalls veröffentlicht.
 
Freilich, ganz überraschend kam der Rausschmiss nicht, denn mindestens seit Anfang Februar steht die Konsensgruppe mit einer eigenen Website im Internet, auf der der BVO von Anfang an nicht als Mitglied aufgeführt wurde. Der Rausschmiss war also bereits besiegelt, lang bevor man es für nötig empfunden hat, den BVO davon schriftlich zu unterrichten.       
 
In ihrem Schreiben an den BVO führt die Konsensgruppe drei Gründe auf, weshalb „eine Zusammenarbeit im Rahmen der Konsensgruppe mit dem BVO jetzt nicht weiter möglich ist.“
Als ersten Grund benennt die Konsensgruppe die Rechtslage und wirft dem BVO vor, er würde seinen Mitgliedern das Erlangen der Heilpraktikererlaubnis ausdrücklich nicht empfehlen. Dabei halte es man für die eigene „Pflicht, für die Rechtsicherheit der Mitglieder einzustehen und diese vor kostspieligen gerichtlichen Verfahren und Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz zu bewahren.“
 
Doch für Rechtssicherheit der eigenen Mitglieder stehen auch die Verbände der Konsensgruppe nicht ein. Denn BAO, DVOM, ROD und VOD vermitteln weiterhin Physiotherapeuten ohne Heilpraktikererlaubnis über ihre Therapeutenlisten an Patienten und setzen diese so selbst den Gefahren „kostspieliger gerichtlicher Verfahren und Strafverfahren“ aus.
 
Am geschicktesten macht es hierbei noch der VOD: Er weist darauf hin, dass seine Physiotherapeuten „in ihrer Tätigkeit auf die Ausübung der Physiotherapie beschränkt“ sind. Von Osteopathie ist hier keine Rede mehr – soweit geht die Selbstverleugnung im größten Osteopathieverband nach über 20 Jahren Berufspolitik.   
 
Als zweiten Grund führt die Konsensgruppe die gegenwärtige Erstattungspraxis gesetzlicher Krankenkassen (GKVs) auf. Diese sieht in der Regel eine ärztliche Verordnung der osteopathischen Leistung vor. Laut Konsensgruppe müsse man sich aber „vehement“ gegen alle Bestrebungen und Tendenzen stellen, die den Osteopathen als Heilhilfsberuf etablieren wollen.
Man solle sich also gemeinsam dafür einsetzen, dass osteopathische Leistungen nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie „auf einem qualitativ hohen und einheitlichen Niveau und im Primärkontakt abgegeben werden.“    
 
Schade nur, dass sich in der Konsensgruppe selbst keiner daran hält, denn die von den Verbänden vermittelten Physiotherapeuten dürfen ohne Heilpraktikererlaubnis eben nicht im Primärkontakt arbeiten, weder in der Osteopathie, noch im Bereich der Physiotherapie.
Darauf weist der VOD auf seiner Therapeutenliste sogar ausdrücklich hin, denn das zuvor nur zur Hälfte wiedergegebene Zitat lautet vollständig: „Physiotherapeuten arbeiten auf Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers und sind in ihrer Tätigkeit auf die Ausübung der Physiotherapie beschränkt.“
 
Da ist sie also dahin, die Vehemenz, die man vom Konkurrenten einfordert, ohne sich selbst daran zu halten.
 
Der dritte Grund ist die vom BVO geführte Schülerliste, über die der Verband in Ausbildung befindliche Mitglieder ab 800 Unterrichtseinheiten an Patienten vermittelt. Das kann man zu Recht kritisieren, weil es, wie die Konsensgruppe schreibt, einer einheitlichen Qualitätssicherung entgegen steht.
Entlarvend ist dabei nur, dass es der Konsensgruppe „zumindest nicht ausgeschlossen" erscheint, „dass die Beibehaltung der Schülerliste auch mit dem Ziel verbunden ist, hierdurch Schülermitglieder vereinfacht zu bewerben, die einen Listenplatz anstreben, mit dem teilweise sogar eine GKV-Erstattung verbunden ist.“ 
 
Es geht also letztlich auch ums Geschäft. Das ist eine weitere traurige Erkenntnis, die man diesem Zwist zwischen zwei konkurrierenden Verbänden entnehmen kann.
Denn Osteopathie ist für die großen Verbände letztlich auch ein finanzielles Geschäft mit jährlichen Einnahmen, bei 3000 Mitgliedern und mehr, die sich auf die Million Euro zu bewegen. Was mit dem vielen Geld, das jährlich von den Mitgliedern gezahlt wird, passiert, sei dahingestellt. Die osteopathische Berufspolitik hat es jedenfalls kein Stück vorangebracht. 
 
Jürgen Gröbmüller
1. Vorsitzender hpO e.V.