Wir alle machen Berufspolitik

Wenn in Diskussionsrunden das Gespräch auf die Berufspolitik fällt, trifft man vielfach auf Desinteresse oder gar Ablehnung. „Das hat mich noch nie interessiert“, „die machen doch eh, was sie wollen“ oder „da passiert doch seit Jahren nichts“ sind typische Aussagen, die man in dem Zusammenhang immer wieder hört.
 
Natürlich tragen die Verbände einen großen Anteil an diesen Einstellungen: Streitigkeiten untereinander und kaum vorzeigbare Ergebnisse wecken nicht gerade das Interesse an osteopathischer Berufspolitik.
 
Andererseits betreibt jeder von uns – meist unbewusst – allein dadurch, dass er oder sie osteopathisch tätig ist und mit Patienten, Kollegen, Kassen, Dienstleistern, Behörden und anderen Therapeuten zu tun hat, selbst Berufspolitik.
 
„Wie bitte? Ich mach doch keine Berufspolitik!“
Eben doch. Denn was heißt Berufspolitik? Es ist das Eintreten für die eigenen beruflichen Interessen, die damit entweder gefordert oder gesichert und gestärkt werden sollen.
 
Zwar gibt es keinen eigenen osteopathischen Beruf, aber eine osteopathische Tätigkeit, die ausgeübt wird. Und diese will jeder einzelne von uns mindestens gesichert und gestärkt sehen. Alles, was wir täglich in unserer osteopathischen Praxis leisten, dient letztlich der Sicherung und Stärkung unserer osteopathischen Tätigkeit und ist deshalb auch ein Stück weit Berufspolitik.
 
Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Handeln bewusst oder unbewusst erfolgt, entscheidend sind die Folgen des eigenen Handelns.
 
Ein paar Beispiele dazu aus der Praxis:
  

  • Wer Osteopathie über Physiotherapierezepte abrechnet, unterstützt damit jene, die die Osteopathie gern in die Physiotherapie integrieren wollen.

  • Wer Osteopathie ausübt, ohne die Heilpraktikererlaubnis zu besitzen, bringt damit zum Ausdruck, dass Osteopathie nicht zur Heilkunde zählt.

  • Wer nur Behandlungszeiten von 30 Minuten anbietet, zeigt damit, dass sich Osteopathie nicht groß vom Erbringen eines Heilmittels unterscheidet.

  • Wer nur Mitglied in einem Verband ist, um auf dessen Therapeutenliste geführt zu werden, finanziert dessen Berufspolitik mit seinem Mitgliedsbeitrag.


Osteopathisch tätig zu sein, am Patienten zu arbeiten, bedeutet gesellschaftlich zu handeln: die Grunddefinition von Politik. Wer hierbei ganz selbstverständlich die Sicherung und Stärkung seiner Tätigkeit zum Ziel hat, betreibt eben auch Berufspolitik.
 
Daran sollte denken, wer meint, dass er mit Berufspolitik nichts zu tun habe oder ihm diese egal sei.