Eine Urteilsbegründung gegen einen eigenen Beruf

Sein Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits am 10. Oktober letzten Jahres gesprochen (BVerwG 3 C 16.17), die schriftliche Urteilsbegründung aber erst jetzt vorgelegt.
Fazit: Es wird keine sektorale Heilpraktikererlaubnis für die Ausübung der Osteopathie geben.
 
Wer die umfangreiche Urteilsbegründung aufmerksam liest, wird feststellen können, wie sehr auch dieses Urteil gegen die von manchen Osteopathieverbänden weiterhin erhobene Forderung nach einem eigenen Berufsgesetz spricht.
 
Denn das Bundesverwaltungsgericht stellt erst einleitend fest, dass Osteopathie Heilkunde ist: „11. Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist (...) Ausübung der Heilkunde.“

Um abschließend eine sektorale Heilpraktikererlaubnis aus folgenden Gründen zu verneinen: „23. Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen.“

Soweit eigentlich nicht Neues, auch wenn sich über eine fehlende einheitliche Definition trefflich streiten ließe, hat doch die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits in 2010 eine Definition der Osteopathie veröffentlicht.
 
Interessant wird das Urteil dort, wo es erläutert, wozu die sektorale Heilpraktikererlaubnis geschaffen wurde, die es heutzutage für die Bereiche der Psychotherapie, Physiotherapie, Podologie und neuerdings auch Logopädie gibt.

Das Bundesverwaltungsgericht schreibt dazu:
„14 Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (...) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (...).
 
Vereinfacht ausgedrückt:
Die sektorale Heilpraktikererlaubnis wurde für hochqualitative, klar abgrenzbare Gesundheitsberufe geschaffen, um diesen die eigenverantwortliche Behandlung von Patienten zu ermöglichen, die Heilpraktikern bereits gestattet ist.

Für die Osteopathie könne es aber keine sektorale Heilpraktikererlaubnis geben.
Nicht, weil wie oben bereits zitiert, die „eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung (...) Ausübung der Heilkunde“ ist. Sondern weil die Osteopathie „nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist“ (15 b) und – siehe oben –  eine einheitliche Definition fehlt und die Ausbildung nicht einheitlich geregelt ist.
 
Warum argumentiert das Bundesverwaltungsgericht auf diese Weise?
Warum schreibt es nicht sinngemäß, dass ohne eigenes Berufsgesetz die Ausübung der Osteopathie unter das Heilpraktikergesetz fällt und wer bereits rechtlich befähigt ist, Heilkunde auszuüben, keine zusätzliche sektorale Heilpraktikererlaubnis benötigt?  
 
Weil es mit seiner Urteilsbegründung aufzeigt, in welche einzig denkbare Richtung ein eigenes Berufsgesetz für Osteopathie gehen würde:
Kein eigener Heilberuf, mit eigenverantwortlicher Diagnose und Behandlung, wie er manch einem immer noch vorschwebt, sondern ein Gesundheitsberuf, dem die eigenverantwortliche Behandlung von Patienten nicht gestattet wäre.    

Das ist also das, was wir erhalten würden, wenn die Osteopathie ein eigenes  Berufsgesetz bekäme.
Das wäre inhaltlich zwar keine vollumfängliche Osteopathie, aber das scheint auch nicht so wichtig zu sein. Denn wofür wirbt ein großer Osteopathieverband neuerdings ganzseitig? Dafür, dass man sich „für die berufsgesetzliche Sicherung der Osteopathie“ stark mache. „Denn ein Osteopath und eine Osteopathin sollen sich auch so nennen dürfen.“
 
Darum geht es also letztlich, ein Berufsgesetz, um uns Osteopathen nennen zu können. Der Preis dafür ist verdammt hoch.