Interview mit Dr. med. Jürgen Güttler über die Chirotage Lenggries

Jürgen, du bist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und arbeitest in deiner Praxis in Köln osteopathisch. Du warst dieses Wochenende Referent auf den Chirotagen Lenggries. Über was hast du referiert?
 
Zunächst durfte ich den Eröffnungsvortrag über die Hüftgelenkserkrankungen im Kindes- und Erwachsenalter halten.
Dann im Workshop habe ich von meiner Arbeit in der operativen Orthopädie als langjähriger Endoprothetiker über die Eigenheiten der Hüfttotalendoprothese berichtet. So konnte ich einerseits die Kenntnisse der Teilnehmer vertiefen, einige Vorstellungen und Mythen ausräumen und andererseits die osteopathische Sicht- und Arbeitsweise aus meiner Praxis theoretisch und praktisch darstellen.
 
Wo treffen sich Osteopathie und Orthopädie beim Thema Hüftgelenk? Was kann die Orthopädie, was die Osteopathie nicht kann und umgekehrt?
Der Treffpunkt zwischen diesen Fachrichtungen ist der Patient. In der Osteopathie beschäftigt uns sehr das Gebiet der funktionellen Störungen und dies fängt bei den meisten Patienten da an, wo die Schulmedizin aufhört. Leider ist dies häufig ein Nacheinander. Für mich wäre es ein Herzenswunsch, wenn es ein schnelleres Miteinander gäbe. Die Orthopädie beschäftigt sich intensiv mit den traumatischen und degenerativen Schäden des Bewegungsapparates. Die Auswirkungen auf das viszerale und kraniale System werden oft nicht oder sehr spät erkannt.
 
Veranstalter der Chirotage Lenggries ist der Heilpraktikerverband Bayern. Was führt einen Arzt aus Köln zu einer Fortbildungsveranstaltung von und für Heilpraktiker nach Oberbayern?
Ich bin auf Vermittlung der hpO eingeladen worden. Es sind erfreulicherweise die offenen und interessierten Heilpraktiker, die, ebenso wie ich, neugierig über den Tellerrand blicken wollen. Und dies wurde bei diesem Aufeinandertreffen sehr deutlich und wir haben alle sehr positive Impulse mitnehmen können.
 
Wie siehst du die Zusammenarbeit der Naturheilkunde im allgemeinen mit der Schulmedizin? Was können beide Seiten tun, um ihre Kompetenzen gegenseitig besser zu nutzen?
Die Schulmedizin hat in der Vergangenheit mit viel Aufwand und Mühe erreicht, dass Leitlinien und EBM (evidence based medicine) einen recht sicheren Weg durch den Therapiewald zeigen. Trotzdem sind auch diesem System Grenzen gesetzt. Diese zu erkennen und dann andere Therapeuten zu bemühen, kann nur im Sinne unserer Patienten sein. Der alternativen Medizin fehlt oft die wissenschaftliche Untermauerung, da zum Beispiel auch deutlich weniger monetäre Ressourcen vorhanden sind. So geschieht es immer wieder, dass die Kommunikation auf verschiedenen Ebenen geführt wird und das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Anerkennung fehlt. Um dies zu verbessern, sind solch gemeinsame Veranstaltungen wichtig.
 
Wie lautet dein fachliches Fazit über die Teilnehmer deiner Arbeitsgruppe und die Veranstaltung insgesamt?
Es hat mich sehr gefreut, dass ich mit meinen auch klassischen schulmedizinischen Themen so wissbegierig aufgenommen worden bin. Auch der gegenseitige Austausch über Therapiemöglichkeiten, Fallbeispiele und Praxiserfahrungen war für mich sehr interessant und haben meine Sichtweite wieder erweitert.
Ich würde mir mehr solcher interdisziplinärer Veranstaltungen wünschen, um im Sinne unserer Patienten unseren therapeutischen Horizont zu erweitern.
 
Lieber Jürgen, vielen Dank für das Interview!